Vor meiner Zeit

Vorkriegsgesichter

Schon von Paula Wessely sagte man, dass sie ein Vorkriegsgesicht hatte. Zuerst wollte man sie beim Film nicht nehmen, weil sie kein Gesicht hatte, das dem Schönheitsideal der Kaiserzeit entsprach. Weiterlesen...


Die vorangegangenen Generationen

Robert Vishniak gestaltete 1977 eine Ausstellung ein Bilderbuch und nannte es: Verschwundene Welt. Ich bin ein Nachkomme dieser Welt aus Galizien. Ich trage es in mir. Es ist mein Erbe, die Juden, die vor allem von Heinrich IV., Stiefvater des Reichs Vater Böhmens und Mährens in den Osten geholt wurden, um ihn urbar zu machen, Handel und Wandel in die leere Steppe zu bringen und die Randgebiete des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation zu fruchtbaren Kornkammern, Handelsplätzen, Tuch- und Kohleproduzenten zu machen. Bitterste Armut existierten neben großem Reichtum, Hass der Christen gegen die Juden und friedliche Kooperation, ab Josef II. und mehr noch unter Franz-Josef I. ab 1848 geeint unter diesem gütigen Fürsten mit Backenbart und ewiger Beständigkeit. Weiterlesen...


Woher ich komme

„Das,“ sagt Aaron: „das, das gibt’s reichlich. Alte Juden, die ihre Geschichte erzählen, aus dem Osten kommen und Verwandte in den Lagern verloren haben. In der jüdischen Buchhandlung haben sie das meterweise.“ Genau. Deshalb schreibe ich auch nicht das nächste Buch, sondern setze meine Biographie auf meine Webpage. Dort kann man sie lesen, muss man aber nicht. Daher fängt es natürlich mit meinen Großeltern an. Weiterlesen...


Mein Großvater Oskar (geb.: Ossias) Blumenfeld (geb.: Zuckerberg)

Ich nehme mir schon lange vor, strukturierter und chronologischer zu werden. Dann denke ich an andere jüdische Schriftsteller*innen, wie Lilli Bret  und bleibe wie ich bin. Orientierung ist eine Täuschung. Man kann das Leben weder beschreiben, noch nachvollziehen. Eine Biographie, wie Ernst Lothar in seinen Erinnerungen sagt, sollte ehrlich sein und Rechenschaft geben. Manchmal gelingt es dem großen Österreicher und manchmal versagt er, weil er sich mancher Kränkung nicht erinnern will, oder nur mehr die Kränkung erinnert, weil er Namen als selbstverständlich voraussetzt, die damals bekannt allgemein waren und ähnliches. Erinnerung wird je und je neu erfunden. Weiterlesen...

 

Die Amme

1924 als meine Mutter geboren wurde, gab es entweder Muttermilch oder eine Amme. Meine Oma Syska hatte keine Muttermilch. Also eine Amme: Ida aus St. Veit/Glan in Kärnten. Sie kam schon mal vor. Im 90. Lebensjahr schrieb Ida meine Mutter: „Meine liebe, liebe Sylvia!“ Am 08.02.1990. Jetzt glaub‘ ich habe ich’s verstanden: die hormonelle und geistige Ausrichtung auf ein neugeborenes Kind wird vom eigenen auf ein fremdes umgeleitet. Sylvia wurde im Bewusstsein Idas zu ihrem Kurt. Dann heiratete meine Mama einen Kurt – Gefühlsverwirrungen, wie sie Konrad Lorenz (Zur Prägungnicht besser hätte erdenken können. Weiterlesen...


Unglückliche Ehen

Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich – jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise. Jedenfalls wäre das eine Übersetzung der ersten Zeile aus L. N. Tolstois Roman: Anna Karenina. Die Ehen meiner Eltern und Großeltern waren alle unglücklich – das fiel mir erst dieser Tage auf. Man konnte nicht anders, die Zeit war so, Scheidungen gab’s nur im äußersten Notfall und hinterließen sehr viel verbrannte Erde. Weiterlesen...


Mein Großvater und der selige Kaiser Karl

Ich bekam von meiner Stiefmutter Friedl eine Urkunde meines väterlichen Großvaters Berthold. Im März 1918 wurde ihm von unserem letzten Kaiser die „Kaiser Karl Erinnerungsmedaille“ für seine Dienste im Feld verliehen. Dabei wurde ihm ein diesbezüglicher Laufzettl mit dem Beschluss der Ehrung im Felde ausgefolgt. Im Herbst 1918, nach der Kapitulation der kaiserlichen Truppen, dem Zerfall des mitteleuropäischen Weltreichs, in einer Zeit des Hungers, Elends und der grassierenden spanischen Grippe – in dieser Zeit des Elends bekam er seine Urkunde. Keine Medaille. Quer über dem Schriftstück aus vornehmem Papier war ein Stempel aufgeprägt: „Verleihung unterbleibt, wegen Auflösung der Armee.“ Weiterlesen...