Infinity - Die Unendlichkeit

Wer weiß – es ist keine Drohung – vielleicht hört der Blog auch nicht auf? Mein erster Film seit Monaten: Infinity, eine Vater – Tochter Geschichte in mehreren Schichten. Einmal Professor Brandt, Leiter der offiziell verbotenen NASA, einmal Cotton, der letzte Astronaut und seine Tochter Murph, benannt nach Murphy’s law. Ich musste zum Schluss weinen. Ich freue mich auf meine Familie, bin stolz und glücklich und höre auf sie, wenn sie uns zurück haben wollen.

Anna und Aaron haben uns unabhängig voneinander darauf hingewiesen, dass Verweilen keine jüdische Eigenschaft ist. Mehr noch: ich dachte das schon vorher. Das Schwammerlargument nach Peter Sichrovsky gilt nicht. Dieses leitet sich von einem Witz ab. Essen zwei Freunde Schwammerln in einem Wirtshaus, fragt der: „Ist Dir aufgefallen, dass wir vergiftete Schwammerln essen?“ „Ja,“ antwortet der andere: „aber wo ich sie zahlen muss, esse ich sie auch auf!“

Die Abreise war leicht. Im Erdgeschoß der Sydney Opera haben wir am letzten Abend Hamlet gesehen. Hamlet wurde von einer Frau gegeben. Ihr Name tut nichts zu Sache und ich wüsste ihn auch nicht. Auf einer kleinen Bühne, wie in einem Kammerspiel hatte Elsingör Platz. Ein kleines Haus aus Stahlstangen umriss ein Wohnzimmer in dem die familiären Szenen stattfanden. Außerhalb war die Welt, der Söller, der Friedhof und der Schwertkampf halb, halb. Ophelia war schwarz, der Geist des ermordeten Königs zugleich Chef der Schauspieltruppe. Jedes Wort klar, verständlich, akkurat. Bei uns Staunen, offener Mund, berührt und dankbar, dass dieses Stück quasi für uns an dem Tag dort aufgeführt wurde. Wunder finden überall und immer statt. Nur wir unterscheiden uns. Manchmal können wir sie wahrnehmen, manchmal erzeugen, manchmal sind wir verschlossen, aber sie dauernd.

Die Reise zurück einfach: Abholung vom Hotel mit SUV, Flughafen Sydney wohlorganisiert, nur die Flüge in den Osten eingestellt. Der erste Flug mit Thai Airways: bekannte südostasiatische Freundlichkeit, Senne unsere Stewardess zuvorkommend. Zum Schluss habe ich für sie und ihre Kolleg*innen ein Lobschreiben an das Management ausgefüllt.  Jenseits des Gangs uns ein Paar, gutaussehend und im Gegensatz zu uns mit zwei kleinen, schwarzen Taschen Handgepäck. Wir hingegen: Marguerite hat UGGs für ihre Enkelin Rosi gekauft, Hüte werden mitgeführt, zwei schwere Rucksäcke und ein kleiner Koffer, wie Exodus. Wir können machen was wir wollen, aus uns wird keine englische Lordschaft und keine noblen Menschen in der Businessclas.

In Bangkok waren wir acht Stunden in der Lounge, saßen und lagen vor einer grünen Wand wie im Shangri La Hotel Singapur, nur dass die Pflanzen aus Plastik waren. Ich dachte sie sind echt. Wir aßen, schliefen, duschten, redeten. Ich las einen Krimi aus Wien: „Wer keinen Krimi liest, schreibt auch keinen.“ 

Knapp kamen wir zum zweiten Flug. Fast 12 Stunden Bangkok – Wien, AUA, wieder zu Hause. Der Film mit Anne Hathaway in Deutsch, Andy McDonall der Vater. Die Erde wird unbewohnbar. Eine Irregularität hat sich vor 48 Jahren hinter Sirius aufgetan, ein schwarzes Loch, das in eine andere Galaxis führt. Die Raumfahrt ist etwas weiter als heute und Sonden werden ausgeschickt, um bewohnbare Planeten zu finden. Die  Rückkehr ist nicht sicher. Es wäre kein amerikanischer Film, es wäre nicht die NASA, die die Menschheit rettete und es wäre kein amerikanischer Film wäre es nicht die Liebe, die physikalische Gesetze außer Kraft setzen kann. In der Unendlichkeit des Alls, in der Unverständlichkeit der Quantenphysik ist es die Liebe, die Entfernungen überwindet, die unendlich groß sind.

So war für auch Sydney: aus Hamlet kommend hat Marguerite ihrer ältesten Enkelin UGGs gekauft, wissend, dass sie sie die ganze lange Reise in der Hand tragen muss und ich rief meine Älteste Judith und ihren Mann in Tel-Aviv an und hörte, dass Arie 14 Tage in Quarantäne ist, sie aber ihr „Leben zurück hat“, wie sie es nennt. Fröhlich erzählte Judith vom Blumeneinkauf, vom Mann und ihrer philippinischen Helferin. Komisch: je weiter man fährt, je mehr man von der Welt sieht, wo immer man ist und war, es ist die Liebe, die einen und vielleicht auch das All, Alles, das Ganze, oder wie man das sonst benennen soll, bewegt, verändert, oder stabilisiert.

Ich ärgere mich, wenn ich mich im Spiegel sehe: ich bin ein kleiner Dicker. Heute in der Lounge in Bangkok kam ein tätowierter Amerikaner, der aussah wie der H-Man 2020. Er saß allein auf einem Hochstuhl, wie für die Beobachtung und schob sich hoch aufgehäufte Löffel in den Mund, kaute die riesigen Bissen, schob nach, obwohl der Mund noch voll war, wischte die Lippen mit einem Tuch ab, weil der Speisebrei überging, trank danach eine volle Dose Mineralwasser aus und ging wie nach der Arbeit der Verschlingung weg. Nebenan saß ein intellektuelles chinesisches Paar, man las, sprach, aß in einem fort kleine Häppchen mit Stäbchen, Suppe, Vorspeisen, Salate, Süßigkeiten, trank Tee und Wasser, manchmal auch ein Glas Wein. 

Manchmal bin ich eifersüchtig, wenn Marguerite mit ihren Eltern, oder ihren Kindern spricht entsetze mich über mich. Ich schau sie an: für mich ist sie schön. Sie sagt selbst diese Kategorie hätte sie nie für beansprucht.

 

Es ist, so komisch das klingt, die Liebe, die meinen Blick, ihre Wahrnehmung beeinflusst, die alles trägt, hält, verbindet und trennt. Besitz, Wissen, Macht, Erkenntnis, Intelligenz – ich bin froh über den kleinen Teil, den ich davon abbekommen habe. Wenn in manchen Film physikalische Formeln mit Buchstaben scheibar die Welt erklären können – ich werde das nie verstehen. Für den Dialog zwischen Stefan Hawking und de Boor über das schwarze Loch und die Frage brauchte ich einen Sommer lang und hab’s nicht verstanden. Aber es ist die Liebe, die bewegen und verändern kann, oder die – wenn sie fehlt, unterbrochen ist, oder behindert wird – zerstört. Am Montagabend, in zwei Tagen feiern wir die Liebe Esthers zu ihrem Onkel Mordechai und ihrem Volk, die für die Errettung des jüdischen Volks ihr Leben riskierte, das Losfest Purim. Vielleicht werde ich mit Marguerite, mit Kindern, oder Enkeln dort sein können. Ich war weg, um anzukommen.
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