Heimfahren ist schwer. Mir fällt jede Ortsveränderung schwer, was man bei meinem Lebensstil nicht glauben würde. Schon das Einpacken ist anstrengend, erst recht das Abschiednehmen und die Gewissheit, dass ich nicht wiederkommen werde. Was manchmal nicht stimmt. Marguerite sagt ihr schöner Guide findet man sollte auf einer der an sich unbewohnten Inseln in einer Herberge eine Woche mit den Pinguinen leben. Julio heißt der schöne Mann, schlank mit Dutt im Haar, grünes T-Shirt, braune Hose, schwarze Sneakers, schlanker, olivbrauner Körper, den er zu bewegen weiß. Beim Darwin Zenter sucht man ein Auto für Marguerite. Sie glaubt mit der gebrochenen Rippe nicht zurückgehen zu können. Julio schwingt sich aufs Rad – hui da geht’s dahin.
Am Morgen sollen wir diesmal schon um 07:30 fertig sein. Wir fahren schon um 08:00 – die Pünktlichen sind empört. Es geht mit Wassertaxi und Bus zum Darwin Forschungszentrum, das am Weg in Richtung Flughafen liegt. Alles liegt auf diesem Weg, die Insel hat nur eine Straße. Wir parken nach 30 Minuten und gehen zirka zwei Kilometer. Bergauf. In der Äquatorsonne. Manche schneller, manche langsamer. Ich habe mir ein ähnliches Hemd gekauft, wie es die Guides haben und werde von Mauricio unserem Chefguide als Collega begrüßt. Mein Tag ist schon ein Erfolg.
Im Zentrum begrüßt mich ein mir unbekannter Guide mit Kopfnicken – Kollegen unter sich. Mein Freund Sichrovsky hat mich oft als „Zelig“ beschrieben. Damit meint er einen Film von Woody Allen in dem der eine jüdische Eigenschaft der Überanpassung ins Absurde übersteigert. Zelig schaut binnen Minuten so aus, wie die Menschen seiner Umgebung. Egal, ob es Schwarzafrikaner sind, oder Nationalsozialisten – in Sekundenschnelle ist Zelig einer von ihnen, wenn nicht sogar einer, der mehr als sie aussieht, als sie selber.
Der Tag selbst ist leicht erzählt: es war ein Reisetag.
Nach dem Darwincenter kommen wir in den Bus – sie wissen es schon, wir fahren zur Fähre. Unterwegs ein letzter Halt: die Zwillingskrater, zwei eingestürzte Vulkane. Beim Wegfahren sagt de Guide zum Fahrer auf Spanisch: „Esto aqui siete los putas!“ Ohne nachzudenken lache ich so, wie der Fahrer. Der Guide wird rot, so weit ich das sehen kann und trägt mir auf es nicht zu übersetzen. Das habe ich somit befolgt.
Nach der Fähre wieder ein Bus. Am Flughafen Verabschiedung, Marguerite gibt alle Dollars, die sie finden kann an unsere Guides. Ich habe mich daran gewöhnt, die anderen Menschen scheint‘s nicht.
Flug nach Guyaldaquir, dort Aufenthalt 3 Stunden, Gepäck einchecken, viermalige Kontrollen, dann in dem sauberen, modernen internationalen Flughafen. Nebenan eine israelische Reisegruppe, da Donnerstag ist wünsche ich gut Shabbes.
Flug nach Lima, die Ankunft etwas schwierig. Bei der Einreise werde ich in die Grenzwache abgeführt, am Rande der Inspektion wird mir ein Sessel aus gebogenem Aluminium angeboten, der so schief ist, dass ich auf die Nase fiele, würde ich mich setzen. Also stehe ich. Franco, pensionierter Schulinspektor aus Oberitalien wurde mit mir abgeführt. Marguerite zeigt sich von ihrer besten Seite. Sie verwandelt sich wie die Figuren in Barbapapa in einen Panzer. Sie holt die Tourbegleiterin, die schon beim Ausgang des Flughafens war, zurück. Sie spricht mit dem Beamten und lässt sich nicht wegschicken. Es wird klar: ich soll einen Doppelgänger haben. Die Polizei muss verständigt werden. Nach einer halben Stunde kommt ein Polizist in Zivil, er ist wenig gesprächig. Er führt Franco und mich in ein kleines, fensterloses Zimmer und bietet uns Platz an. Der Boden ist mit einem grauschwarzen Spannteppich belegt auf dem ein großer roter und ein brauner Fleck daneben sind und darum herum viel Schmutz ist. Ich weiß nicht was das am Boden ist: Blut, Kot, Urin, Erbrochenes? Meine Phantasie ist zu stark, aber ich setze mich nicht. Marguerite hat inzwischen die Koffer organisiert, Francos Frau eine noble Römerin als Unterstützung, die laut im Eingang zu der Kammer reden, ungeniert. Der Polizist wirft seinen Standcomputer an, sucht irgend etwas und sagt nach einiger Zeit, zuerst zu Franco und dann zu mir: „Sie können gehen.“
Bis dahin habe ich Franco mit der Phantasie aufrecht gehalten, dass wir zuerst zu ihm nach Podenone fahren und Wein trinken und dann zu mir. Dabei ist er mir nicht sonderlich sympathisch, aber eine Notgemeinschaft sind wir und ich wollte nicht, dass er sich aufregt.