Manche denken, dass Alberobello „Der schöne Baum“ heißt. Weit gefehlt. Es heißt die „Silbereichen für den Krieg“. Hier im Süden Italiens, in der Region rund um Bari, wurden Eichen für Schiffe, Maste und Kriegsmaschinen gefällt. Übrig blieben wunderbare, teilweise jahrtausendalte Olivenbäume und Trullis – kleine Häuser aus Lehmziegeln mit einem bis zwei Räumen und spitzen Dächern.
Massenweiße Touristen werden von den Trullis angezogen. Sagt doch die Wienerin vor uns: „Wozu das anschauen, ich kenn das alles vom Fernsehen.“ Da fragt man sich als Teilnehmer der Weltkreuzfahrt der Costa deliciosa 2020 – warum fährt die Floridsdorferin mit? Konnte sie zu Hause nicht genügend granteln? Hat man sie bei Kaisermühlenblues nicht besetzt? Oder hat sie einen Kontrakt mit der Tochter, die neben ihr sitzt, der besagt, dass sie über Äußeres schimpfen und so eine wunderbare Beziehung aufrechterhalten. Wie dem auch sei – wegen denen sind wieder wir nicht mitgefahren.
Bari ist ein wunderschöner Ort mit viel Geschichte. 320.000 Menschen leben hier. Handelsplatz seit Jahrtausenden, Griechen, Türken, Normannen – alle waren hier. Wir sehen davon nichts. Lediglich die Rückseite der Kathedrale und den Glockenturm der Kirche mit den Reliquien des hlg. Nikolas. Sonst noch die Strandpromenade.
Dann geht’s den Hügel hinan nach Alberobello, dem Dorf mit den Trullis. Diese sind von einfachsten bäuerlichen Ansiedlungen in der Größe eines Zelts zu einem Touristenanziehungspunkt geworden. Wieso auch nicht, ich bin doch genau deswegen da. Die Trullis werden verschiedenfärbig angestrahlt, nur mehr bis Mitternacht – dann ist der Weihnachtsspuck am 7.1. vorbei. Rot wechselt zu Lila, Blau wird fahl. Zwischen den Trullis hügelan eine kleine Straße, das Pflaster wie aus römischer Zeit, behauene und von der Zeit und den vielen Füßen glatt gewordene Steine.
Kinderwägen werden rauf und runter geschoben, über Stufen gehoben. In den Trullis sind Geschäfte, die Olivenöl, Holzplatten aus Olivenholz mit eingebrannten Symbolen der Kirchen, der Freimaurer und der Orthodoxie anbieten und Souvenirs aller Arten. Daneben hat ein Kaufmann Gläser mit eingelegten grünen Tomaten, Gläser mit roten Paprika, Olivenöl des Region und Wein. Allerdings darf man keine Fotos machen, Fotos werden nicht verrechnet und die Fotograph*innen mit ihren Smartphones stören den Verkauf, der selten stattfindet. Wer kann ein Fünfkilogramm großes Glas mit Früchten mitnehmen? Kreuzfahrtkunden wird es am Eingang des Schiffs weggenommen, Autofahrern zerspringt das Glas im Kofferraum und an Flugreisenden darf man nicht denken. Also steht der Chef des Geschäfts mit bitterer Miene am Eingang und sagt den immer gleichen Satz: "No Foto!" Nicht sehr einladend das.
Wir setzen uns ab. Unsere entzückende Fremdenführerin, die in Englisch und Deutsch alles erklärt, ist dünn und ihre Stimme trägt nicht weit in dem kalten Wind, der vom Berg kommt. Ein Trulli ist ein Museum – da die Chance es von innen zu sehen. Also rein. Vier Euro/Kopf – nicht teuer. Audioguide inklusive – ein Samsung-Tablett, das Glas zersprungen. Allerdings: Ende der Weihnachtsferien. Nichts, was am Guide gesagt wird, stimmt. Denn die Räume sind von Krippen erfüllt. Krippen in lokaler Aufmachung, Krippen aus Porzellan, Darstellung der Heiligen Familie auf Porzellan, Holz, Teracotta und Stein. Der Guide vermutet andere Objekte, die allerdings hinter den Krippen stehen. Allerdings sind die Trulli innen geräumig. Wer hätte das gedacht? Ich sicher nicht.
Im kalten Wind drehen wir noch eine Runde, trinken eine sogenannte heiße Schokolade, die ein Puddinggemisch ist, um 2,50 Euro, nehmen ein winziges Trulli um einen Euro als Andenken mit und haben unsere Pflicht als Touristen getan.